Okuli, 07.03.2021

Von Pfarrerin Nora Rämer

Predigtgedanken zum Wochenspruch: Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes. Lk 9,62

Kanzelgruß
Friede benötigt weder Sieger noch Besiegte, Friede bedarf Menschen, die es wagen aufeinander zuzugehen.
Wenn Sie gestern Abend das heute journal gesehen haben, erinnern Sie vielleicht diesen Satz. Claus Kleber leitete den Beitrag mit den Worten ein:  Zwei alte Männer schreiben heute Geschichte. Geschichte der Menschlichkeit und Versöhnung, in aller Bescheidenheit und Stille.
Ich würd sagen kaum wahrgenommen, denn in den Nachrichten des heutigen Morgens fand diese Nachricht keine Berücksichtigung. Papst Franziskus war zu Gast bei Ali al-Sistani, Großajatollah der Schiiten, in Nadschaf im Irak und anschließend in der Ebene von Ur.
Ur, da klingelt es vielleicht bei Ihnen. Ja, der Ort wo Abraham beheimatet war, Wiege unserer Kultur, Religion der Juden, Christen und Muslime.
20 Jahre war dieser Besuch bei den Christen im Irak geplant vom Vatikan, immer wieder abgesagt von den Vorgängern des jetzigen Papstes und von der anderen Seite. Musste es jetzt, in dieser Zeit der Pandemie, ausgerechnet jetzt sein?
Ja, sagte Franziskus, genau jetzt. Die Menschen warten. Sind so verzweifelt, besonders die Christen haben so wenig Perspektive.
Perspektive, gesehen werden, darum geht es auch im Namen des Sonntages. Gott sieht auf mich und wird den Menschen angesichtig, sieht in welchem Licht, in welchem Namen er lebt.
Ich richte meinen Augen auf Gott, im Vertrauen, im Glauben auf seine Lebenszusage, sein Licht, seine Liebe. die mich nicht untergehen lässt.
Franziskus wagt etwas, lässt die ganze belastende Geschichte hinter sich, blickt nach vorne. Geht auf den andern zu, will interreligiösen Austausch, Verständigung, neue Wege wagen. Seien Hände liegen auf dem Pflug und schauen nach vorne, richten sich aus, aus auf den, dem er vertraut. Nicht ohne um die Widrigkeiten der Umstände wider seiner Kirche zu wissen, nicht naiv, sondern wagemutig. Aber gewiss: Wer neue Wege geht, neue Wege vorzeichnet, wer der Pflug die Furchen zieht, muss seine Augen ausrichten und sein Hände fest an den Pflug legen. Trifft eine Entscheidung.
Okuli, ich sehe auf Gott und Gott auf mich. Wir brauchen diese Ausrichtung und diesen Mut der Entscheidung, um neue Wege gehen und ziehen zu können. Sie negieren nicht Geschichte oder machen angetanes Leid ungetan; wollen nicht wegwischen, vertuschen, sondern einen Neuanfang ermöglichen, wollen Licht und Klarheit in das Dunkel bringen.
Und bevor wir etwas anfangen, ist es sinnvoll sich auszurichten auf den, der uns sieht und in dessen Licht sich die Anfänge, Entscheidungen und Wege beleuchten lassen. Wer sich zum christlichen Glauben bekehrt und einer Gemeinde anschließt, wird dadurch nicht automatisch ein besserer und untadeliger Mensch.
Es bedarf der eigenen Ausrichtung und des Bewusstseins des Vertrauens, dass wir in Gottes Sichtfeld sind und uns auf ihn ausrichten können.
Und dies in der Liebe Gottes, und diese Liebe hat etwas Befreiendes. Sie richtet auf, sie stärkt und tröstet und weckt Lust am Leben. Jesus von Nazareth hat diese heilende Liebe in besonderer Weise verkörpert. Seine Augen, seine Hände, seine Worte haben Menschen heil gemacht – davon erzählen die Evangelien auf fast jeder Seite. Es ist viel zu wenig, das Handeln Jesu auf sein Sterben zu reduzieren, wie es der Paulusschüler tut. Nein, die meiste Zeit seines öffentlichen Wirkens stand im Zeichen von Liebe und Hingabe. Und sein Beispiel reicht weiter bis in unsere Gegenwart hinein, wann immer wir seine Worte lesen und uns von seinem Geist erfüllen lassen. 
Ja, Jesu Geist kann und soll uns anstecken. Soll uns bewahren vor falschen Bestrebungen und Zielen. 
Es geht also um Konzentration auf das Wesentliche. Sich nicht verlieren in Oberflächlichkeiten, die einen am Ende leer und enttäuscht zurücklassen,
Sich an Jesus orientieren, an dem, was er gesagt und getan hat, heißt die Hand an den Pflug legen und neue Wege vorzeichnen und gehen.
Dazu brauchen wir Menschen, die uns Vorbild und Ermutigung sind, so wie Papst Franziskus; wie die vielen Menschen, die in Ausrichtung auf die Botschaft Gottes den Blick auf diejenigen richten, die sonst übersehen werden.
Amen.