Dritter Sonntag nach Epiphanias, 25.01.2021

Von Pfarrerin Nora Rämer

Predigttext am 3. Sonntag nach Epiphanias: Rut 1, 1–19a

Zu der Zeit, als die Richter richteten, entstand eine Hungersnot im Lande. Und ein Mann von Bethlehem in Juda zog aus ins Land der Moabiter, um dort als Fremdling zu wohnen, mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen. Der hieß Elimelech und seine Frau Noomi und seine beiden Söhne Machlon und Kiljon; die waren Efratiter aus Bethlehem in Juda. Und als sie ins Land der Moabiter gekommen waren, blieben sie dort. Und Elimelech, Noomis Mann, starb, und sie blieb übrig mit ihren beiden Söhnen. Die nahmen sich moabitische Frauen; die eine hieß Orpa, die andere Rut. Und als sie ungefähr zehn Jahre dort gewohnt hatten, starben auch die beiden, Machlon und Kiljon. Und die Frau blieb zurück ohne ihre beiden Söhne und ohne ihren Mann. Da machte sie sich auf mit ihren beiden Schwiegertöchtern und zog aus dem Land der Moabiter wieder zurück; denn sie hatte erfahren im Moabiterland, dass der Herr sich seines Volkes angenommen und ihnen Brot gegeben hatte. Und sie ging aus von dem Ort, wo sie gewesen war, und ihre beiden Schwiegertöchter mit ihr. Und als sie unterwegs waren, um ins Land Juda zurückzukehren, sprach sie zu ihren beiden Schwiegertöchtern: Geht hin und kehrt um, eine jede ins Haus ihrer Mutter! Der Herr tue an euch Barmherzigkeit, wie ihr an den Toten und an mir getan habt. Der Herr gebe euch, dass ihr Ruhe findet, eine jede in ihres Mannes Hause! Und sie küsste sie. Da erhoben sie ihre Stimme und weinten und sprachen zu ihr: Wir wollen mit dir zu deinem Volk gehen. Aber Noomi sprach: Kehrt um, meine Töchter! Warum wollt ihr mit mir gehen? Wie kann ich noch einmal Kinder in meinem Schoße haben, die eure Männer werden könnten? Kehrt um, meine Töchter, und geht hin; denn ich bin nun zu alt, um wieder einem Mann zu gehören. Und wenn ich dächte: Ich habe noch Hoffnung, und diese Nacht einem Mann gehörte und Söhne gebären würde, wolltet ihr warten, bis sie groß würden? Wolltet ihr euch einschließen und keinem Mann gehören? Nicht doch, meine Töchter! Mein Los ist zu bitter für euch, denn des Herrn Hand hat mich getroffen. Da erhoben sie ihre Stimme und weinten noch mehr. Und Orpa küsste ihre Schwiegermutter, Rut aber ließ nicht von ihr. Sie aber sprach: Siehe, deine Schwägerin ist umgekehrt zu ihrem Volk und zu ihrem Gott; kehre auch du um, deiner Schwägerin nach. Rut antwortete: Bedränge mich nicht, dass ich dich verlassen und von dir umkehren sollte. Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der Herr tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden. Als sie nun sah, dass sie festen Sinnes war, mit ihr zu gehen, ließ sie ab, ihr zuzureden. So gingen die beiden miteinander, bis sie nach Bethlehem kamen.

Gedanken zum Predigttext

Epiphaniaszeit – „Wie schön leuchtet der Morgenstern voll Gnad und Wahrheit von dem Herrn, die süße Wurzel Jesse.“ Früh in der Geschichte des Gottesvolkes begann er zu leuchten, der Morgenstern, die su.e Wurzel Jesse. Dreimal vierzehn Generationen waren es von Abraham bis Christus. Und neben Maria haben es immerhin vier Frauen in den Stammbaum Jesu geschafft: Tamar, Rahab, Rut und Batseba, die Frau des Uria (Mt 1,1–17). Die Auswahl der Stammmutter irritiert. Alle vier hatten ihre liebe Not mit der Ehre, den Mannern und der Liebe und alle vier waren Auslanderinnen. Aber JHWH, der Gott Israels, geht mit den Frauengeschichten seine eigenen Wege.

Eine Schwiegertochter liebt ihre Schwiegermutter, sie will bei ihr bleiben,  auch wenn deren Sohn, ihr Mann, schon gestorben ist. Die Ältere denkt zunächst an das Wohl der Jüngeren. Sie entlässt sie aus der Pflicht, für eine Witwe zu sorgen. Eine liebevolle Geste. Sie schenkt ihnen die Freiheit, weil sie möchte, dass es ihnen gut geht.

In diesen Tagen der Coronakrise wurde mehrfach in den Zeitungen die Frage gestellt: Was haben Norwegen, Island, Taiwan, Dänemark, Neuseeland, Finnland und Deutschland miteinander gemein? Sie werden alle von Frauen regiert und seien weit besser durch die Krise gekommen als die Länder der „starken Männer“. Mit mütterlicher Strenge, Weitsicht und Behutsamkeit hatten sie ohne jede Eitelkeit getan, was nötig, möglich und lebensdienlich war.

Eine Schwiegertochter, Orpa, nimmt das Angebot an und geht zurück zu ihrer Familie. Die Moabiterin Rut aber zieht mit Noomi mit, als diese sich wieder aufmacht in die Heimat Bethlehem. Von dort war sie einst mit ihrem Mann vor einer Hungersnot ins Land der Moabiter geflohen. Rut geht mit, weil sie dem Gott der Noomi vertraut. Und weil sie erleben will, wo es hin geht, wenn man diesem Gott vertraut.

Utopien werden nicht in den Häusern der Zufriedenen und Satten geboren, sondern sie entstehen auf den staubigen Wegen der Hungerflüchtlinge, sie schlummern und wachsen im steinigen Acker, dem in harter Arbeit das Brotgetreide abgerungen wird. Es sind die, die den Namen Rut und Noomi, Boas und Obed tragen, die nach dem Morgenstern schauen.

Bethlehem in Juda, das ist die kleine Stadt, aus der König David und Jesus kommen werden. Rut eine Moabiterin, wird dort durch ihren Fleiß und ihren Anmut das Herz des jüdischen Mannes Boas gewinnen und ihren Sohn Obed gebären. Dieser ist der Großvater vom wichtigsten König der Israeliten: David. Somit ist Rut Davids Urgroßmutter. Damit war eine der vier Urgroßmütter von David keine Israelitin, sondern Ausländerin. Und ihre Geschichte wird in der Bibel genauer geschildert.

Damit nicht genug: Die Mutter des Boas war die Prostituierte Rahab, die den Kundschaftern zu Josuas Zeiten Unterschlupf gewährte, sie vor den Häschern beschützte und zur Belohnung bei der Vernichtung Jerichos verschont blieb. Und diese beiden Frauen – Rahab und Rut – waren in direkter Linie mit Jesus verwandt. Gott war sich nicht zu schade, eine Prostituierte und eine Ausländerin für seinen Heilsplan auszuwählen. Es ist die Freiheit des Menschen, Bewährtes zu bewahren und im Wandel der Zeiten Überholtes und Hemmendes hinter sich zu lassen. Beides richtet  sich am Leben des Menschen vor Gott, sowie am Nächsten aus.

Das Buch Ruth, ein Buch, das die Kraft hat, in allen Zeiten Menschen zu berühren und mit seiner Wahrheit anzusprechen.