02/07/2024 0 Kommentare
50 Jahre ev. Dreieinigkeitskirche
50 Jahre ev. Dreieinigkeitskirche
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50 Jahre ev. Dreieinigkeitskirche
Zu den eindrucksvollsten Bauwerken in Berlin-Neukölln gehört mit Sicherheit die Dreieinigkeitskirche in Berlin-Buckow, gelegen am südöstlichen Rand der Gropiusstadt. Sie bildete die imposante architektonische Krönung einer noch jungen Gemeinde, die im Jahr 1950 gegründet worden war. Deren bisheriges Gotteshaus, die Martin-Luther-Kapelle in der Rudower Straße, war für die stetig wachsende Gemeinde zu klein geworden und sollte des- halb durch einen Neubau, die Dreieinigkeitskirche, ersetzt werden.
Der mit dem Entwurf der neuen Kirche betraute Architekt Reinhold Barwich erinnerte sich 35 Jahre später anlässlich des Kirchweihjubiläums im Jahr 1996: „Die Bauarbeiten konnten endlich im April 1969 beginnen. Konstruktiv bildet der Kirchbau ein geschlossenes System, in dem jedes Glied alle anderen bedingt. Die drei schrägen Druckstäbe stemmen sich gegen die äußeren Schildwände, auf welche die großen Zugkräfte des Seilnetzes ansetzen. Die waagerechten Balken, die auf den Druckstäben lie- gen, tragen die Galerien und stabilisie- ren die Schildwände. (...) Das Seilnetz war statisch noch eine gewagte Konst- ruktion. Auch der rechnerische Ansatz war mit konventionellen Mitteln schwer zu finden. Wir holten uns Rat von Frei Otto, der ähnliche Konstruktionen u.a. auf der Weltausstellung in Montreal gebaut hatte. Er machte uns Mut und gab uns auch die richtigen Tips für die Dimensionierung der Maschenweite des Netzes. Das konstruktiv schwierigste waren die Schnittpunkte und die Gelenkglieder auf den Ansatzrohren, welche am Giebelrand der Schildwände entlang laufen. Es gab kritische Situationen, ich hatte schlaflose Nächte. Auch die ausführende Firma Steffens und Nölle hat an diesem Netz kräftig Lehrgeld gezahlt, das rentierte sich aber für sie gleich darauf beim Bau des Olympiadaches in München. Fast genauso problematisch war die Frage der Dachhaut. Ein Kupferdach, was ich im Sinn hatte, wurde aus Kostengründen abgelehnt. Nach vielem Abwägen kam ich auf die grünen Awa-Dachschindeln. Sie waren in Europa noch ganz unüb- lich, wurden in den USA jedoch schon lange und erfolgreich verwendet.“ (aus der Festschrift: Dreieinigkeitskirche 1971-1996).
Reinhold Barwich hatte sich in seiner architektonischen Konzeption an der Idee des barocken Zentralbaus orientiert und verwirk- lichte zugleich den theologischen Gedanken der Dreieinigkeit, erkennbar an den drei spitz zulaufenden Außenwänden der Kirche. An den Außenwänden wurde die Stahlnetzkonstruktion des Daches aufgehängt, welches das durch eine gläserne Kuppel gekrönte Innere der Kirche mit seinen sechs Emporen überwölbt. Nicht zufällig erinnert der Innenraum an ein Theater, denn die Kirche war nicht als reiner Sakralbau, sondern auch als Mehrzweckraum für kulturelle Veranstaltungen in der Gropiusstadt gedacht.
So erlebte die Dreieinigkeitsgemeinde noch im Jahr 1971 ein kulturell außergewöhnliches Ereignis, als der bedeutende Autor und Regisseur George Tabori hier sein Anti-Vietnamkriegsstück „Pinkville“ inszenierte. Die Aufführungen des Stückes waren nicht nur gut besucht, sie erhitzten auch die Gemüter: „Unsere Gemeinde war Tagesgespräch, positiv und negativ“, erinnerte sich der damalige Gemeindepfarrer Hans Noll. Auch wenn diese spektakuläre Inszenierung in ihrer überregionalen Bedeutung einmalig blieb, ist die Dreieinigkeitskirche doch ein Ort vielfältiger kultureller Aktivitäten geworden, in dessen Zentrum zweifellos die Kirchenmusik steht.
Sinnfällig für die enge Verbindung zwischen Architektur und Kirchenmusik steht die Orgel der Dreieinigkeitskirche, die als einfacher rechteckiger Kasten auf einer eigens errichteten Empore über dem Altar errichtet wurde. Um die zunächst noch leere Orgelempore mit einem adäquaten Klangkörper auszustatten, wurden die Firmen E. Fr. Walcker (Ludwigs- burg), G. Fr. Steinmeyer (Oettingen) und Karl Schuke (Berlin/West) aufge- fordert, Angebote vorzulegen. Den Zuschlag erhielt schließlich die Firma Steinmeyer, die 1972 eine Orgel mit 25 Registern auf zwei Manualen und Pedal fertigstellte. Das Instrument mit seinem kastenförmigen grünen Prospekt hinterließ jedoch einen zwiespältigen Eindruck: Technisch von hervorragender Qualität, blieb der klangliche Eindruck doch eher mittelmäßig, woran nicht zuletzt der zu niedrige Winddruck Schuld hatte. Eine Erhöhung des Winddruckes und eine spätere Überarbeitung durch die Firma Wilhelm Sauer (Frankfurt/Oder) änderten nur wenig an diesem Zustand.
2012 entschloss sich der Gemeindekirchenrat zu einer umfassenden Ausreinigung und Sanierung des Instrumentes, mit der Orgelbaumeister Michael Fischaleck (Berlin) betraut wurde. Dieser entdeckte, dass das im Grunde ausgezeichnete Pfeifenmaterial der Orgel bislang nur unzulänglich genutzt worden war und unterzog die Orgel einer gründlichen Neuintonation, welche die klanglichen Qualitäten der Orgel erst ins rechte Licht rückte. Seither schmückt den Pro- spekt der Orgel auch ein sonnenförmiger Zymbelstern, der dem Instrument zusätzlich ein originelles Gepräge verleiht.
Im Jahr 1979 erhielt die Dreieinigkeitskirche zudem ein Geläut mit vier Bronzeglocken, welches die Gemeinde nach einer viermonatigen Spendenaktion aus eigener Kraft aufgebracht hatte. Aufgehängt wurden die Glocken in den drei seitlichen Spitzen des Zeltdaches. Die originale Innenausstattung der Kirche, von der heute noch die Bestuhlung zeugt, entsprach dem Zeitgeschmack der 60/70er Jahre und ist vollständig nur noch auf älteren Fotos zu besichtigen. Denn im Jahr 2006 wurde die Dreieinigkeitskirche in ihrem Inneren durch das Architektenteam Rose Zeiger und Reimund Knappheide teilweise umgestaltet, nachdem die Idee des Zentrums Dreieinigkeit Gestalt angenommen hatte. Etwa zu diesem Zeitpunkt wurde der architektonische Komplex der Gropiusstadt und mit ihm auch die Dreieinigkeitskirche unter Denkmalschutz gestellt.
Jörg Fischer
50 Jahre Dreieinigkeitskirche - Fotos aus den vergangenen Jahrzehnten
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